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Informationen über Krankheitsbilder

Untenstehend findet Sie ausführliche Informationen zu den verschiedenen Krankheitsbildern, die in unserer Ambulanz für postinfektiöse Erkrankungen behandelt werden.

Postinfektiöse Syndrome

Postinfektiöse Syndrome sind in der Medizin seit Jahrzehnten beschrieben und bekannt. Verstärkte Aufmerksamkeit erhalten sie aktuell aufgrund der massiv gestiegenen Fallzahlen seit der COVID-19-Pandemie. Unter postinfektiösen Syndromen versteht man oft schwere und chronische Multisystem-Erkrankungen, die häufig im zeitlichen Nachgang zu einer stattgehabten Virusinfektion auftreten. Man spricht auch von einem postakuten Infektionssyndrom (PAIS), beziehungsweise im internationalen Kontext von einem post-acute infection syndrome (ebenfalls PAIS).

Auch nach bakteriellen oder parasitären Infektionen und beispielsweise Impfungen wird das Auftreten dieser Syndrome beobachtet.

Tritt ein solches postinfektiöses Syndrom nach einer COVID-19-Infektion auf, wird es Long- beziehungsweise Post-COVID genannt. In seiner schwersten Verlaufsform kann sich das Post-COVID-Syndrom zu einer Myalgischen Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) entwickeln. Auch diese schwere, neuroimmunologische Systemerkrankung ist seit Jahrzehnten bekannt. Für die ME/CFS werden vielfältige Auslöser diskutiert, darunter in seltenen Fällen auch Impfungen und infektionsunabhängige Ursachen. So werden auch nach COVID-19-Impfungen vereinzelt einer Post-COVID- beziehungsweise auch einer ME/CFS-Symptomatik entsprechende Beschwerdebilder beschrieben. Diese werden unter dem bisher medizinwissenschaftlich nicht einheitlich definierten Begriff Post-Vac-Syndrom beziehungsweise dem Begriff post-acute COVID-19 vaccination syndrome (PACVS) zusammen gefasst.

Häufig heilen diese Syndrome innerhalb des ersten Jahres nach ihrem Auftreten aus. In einigen Fällen kann es allerdings zu einer Chronifizierung der Erkrankung kommen. Schlimmstenfalls bleibt sie lebenslang bestehen.

Die Symptome dieser multisystemischen Syndrome sind vielfältig und betreffen in der Regel mehrere Organe beziehungsweise Funktionsbereiche. Betroffene können sowohl unter neurologischen (Brain Fog, Schwindel, Missempfindungen, Taubheitsgefühle, Schlafstörungen), kardiovaskulären (Herzrasen, Blutdruckschwankungen, Durchblutungsstörungen),  rheumatologischen (Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Gelenksentzündungen) und beziehungsweise oder hormonellen Symptomen (vermehrter Durst, Zyklusstörungen, Haarausfall) in unterschiedlicher Schwere und Häufigkeit leiden.

Derzeit sind weder genaue Ursachen oder Mechanismen dieser Syndrome ausreichend erforscht, noch stehen diagnostische Biomarker zur Verfügung. Diagnosen werden aus diesem Grund in aller Regel mit hohem anamnestischen Aufwand nach meist umfangreicher Ausschlussdiagnostik gestellt. Kausale Therapien stehen für diese Erkrankungen ebenfalls noch nicht zur Verfügung, symptomatische und damit die Lebensqualität verbessernde Therapien sind aber in einer Vielzahl der Fälle möglich und können eine weitere Zustandsverschlechterung verhindern.

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS)

ME/CFS ist die schwerste, chronische Verlaufsform eines PAIS. Die neuroimmunologische Erkrankung geht mit einer Vielzahl von Symptomen einher. Kernmerkmal der ME/CFS ist die Belastungsintoleranz, in deren Folge es zu einer belastungsinduzierten Symptomverschlechterung kommen kann, der sogenannten Post-Exertionellen Malaise (PEM).

Das Auftreten von PEM wird von Betroffenen häufig auch als Crash bezeichnet. Da jeder Crash mit der Gefahr einer weiteren Chronifizierung oder schlimmstenfalls dauerhaften Symptomverschlechterung einhergeht, wird Betroffenen empfohlen, sich unter Anwendung einer Pacing-Strategie innerhalb ihrer individuellen Belastungsgrenzen zu bewegen. Das bedeutet, dass diejenigen Betroffen, die unter PEM leiden, sich nur in einem Ausmaß belasten dürfen, das nicht zum Auftreten weiterer PEM führt. Da ME/CFS nicht mit einer Antriebsminderung einhergeht, ist das Einhalten der individuellen Pacing-Strategie für Betroffene mitunter sehr herausfordernd.

Die PEM-Schwelle eines jeden Betroffenen ist höchst individuell. Leicht Betroffenen kann es mit flexiblen Arbeitsplatzanpassungen und Stundenreduzierungen mitunter möglich sein arbeiten zu gehen, soweit sie sich im Übrigen in ihrer Aktivität stark einschränken. Bei Schwerstbetroffenen kann bereits der visuelle Reiz eines Lichtstrahls zu starker PEM führen. Schätzungsweise ein Viertel der ME/CFS-Betroffenen kann das Haus nicht mehr verlassen, circa 60 % sind arbeitsunfähig [1].

ME/CFS begründet oft einen hohen Grad körperlicher Behinderung und einer Pflegebedürftigkeit. Da professionelle Angebote hierfür allenfalls in Einzelfällen zur Verfügung stehen, geht die Erkrankung in der Regel zwangsläufig auch mit einer hohen Belastung der die Pflegetätigkeit übernehmenden Angehörigen einher.

Bereits präpandemisch wurde von mindestens 250.000 ME/CFS Betroffenen in Deutschland ausgegangen, darunter etwa 40.000 Kinder und Jugendliche [1]. Durch die Pandemie dürfte die Anzahl Betroffener massiv angestiegen sein. Die Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zeigen einen Anstieg der Fälle auf 620.000 im Jahr 2023 [1]. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen, Altersprävalenzen gibt es in der Jugend und bei 30- bis 39-jährigen [2].

 

Quellen:

[1] Was ist ME/CFS? — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (mecfs.de)

[2] Daten & Fakten — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (mecfs.de)

Post-COVID-Syndrom/Long-COVID

Der Begriff Long-COVID wird verwendet, wenn Betroffene über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen bis zu maximal 12 Wochen Symptome aufweisen, im Falle einer Betroffenheit von mehr als 12 Wochen wird von einem Post-COVID-Syndrom gesprochen.

Es werden verschiedene Umstände als ursächlich für das Entstehen eines Post-COVID-Syndroms diskutiert. Neben einer Viruspersistenz kommen nach aktuellem Kenntnisstand auch die Reaktivierung anderer Erreger, eine ausgelöste Autoimmunität oder Fehlfunktionen des Immunsystems in Betracht.

Wieviele Menschen in Deutschland oder weltweit von Post-COVID betroffen sind, lässt sich derzeit nicht sicher feststellen. Bevölkerungsbasierte Studien hierzu fehlen weiterhin. Die Prävalenz lässt sich aus diesem Grund nur näherungsweise unter Auswertung verschiedener erschienener Publikationen schätzen. Je nach herangezogener Publikation ergeben sich stark unterschiedliche Zahlen. Das BMG geht davon aus, dass etwa 5% - 10% aller Infizierten von Post-COVID betroffen sind.

 

Post-Vac-Syndrom

In Einzelfällen kommt es im zeitlichen Zusammenhang mit einer COVID-Impfung zu einer dem Post-COVID-Syndrom oder der ME/CFS entsprechenden Symptomatik. Wenn in einem solchen Fall eine COVID-19-Infektion ebenso wie andere Ursächlichkeiten ausgeschlossen werden kann, wird von einem Post-Vac-Syndrom gesprochen.

Bevölkerungsbasierte Studien zur Häufigkeit des Post-Vac-Syndroms fehlen ebenso wie zum Post-COVID-Syndrom. Den Beobachtungen in der Patientenversorgung nach tritt das Post-Vac-Syndrom sehr viel seltener auf als ein infektionsbedingtes Post-COVID-Syndrom, ohne dass sich Symptomatik und Schwere der Erkrankungen wesentlich voneinander unterscheiden.

Bisher existiert keine medizinwissenschaftliche Definition zum Post-Vac-Syndrom. Auch für diese Betroffenen stehen aktuell nicht ausreichend Forschungsergebnisse zur Verfügung, um die Ursächlichkeit oder die Pathomechanismen der Erkrankung eindeutig erklären zu können. Therapien stehen wie für das Post-COVID-Syndrom nur zur symptomatischen Behandlung zur Verfügung.

Verhaltensempfehlungen bei postinfektiösen Syndromen

Erneute Infektionen, im Besonderen COVID-Infektionen, können zu einer Verschlechterung der Symptomatik postinfektiöser Erkrankungen führen. Daher empfehlen wir Betroffenen (sowie auch allen anderen) auf Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen zu achten und weisen in dem Zusammenhang auf den RKI-Ratgeber zu COVID-19 hin: RKI - RKI-Ratgeber - COVID-19

 

Informationen über den richtigen Umgang mit der Erkrankung, falls bei Ihnen eine Belastungsintoleranz (PEM) vorliegt, sowie generelle Informationen über das Krankheitsbild ME/CFS, finden Sie auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS:

Deutsche Gesellschaft für ME/CFS - Start — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (mecfs.de)

Was ist PEM? - Post-Exertionelle Malaise — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (mecfs.de)

Pacing - Pacing — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (mecfs.de)