Zwang
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gelten als Charakteristika der Zwangsstörung. Mit einer Erkrankungshäufigkeit von ca. 2,5% der Allgemeinbevölkerung zählt sie zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Zumeist entstehen Zwangsstörungen im Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter. Dabei treten bei etwa 80 % der Patienten Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gleichzeitig auf.
Da diese zwanghaften Gedanken im Allgemeinen beängstigend und unerwünscht sind, erzeugen sie beim Patienten einen erheblichen Spannungszustand, der häufig über Zwangshandlungen zu lindern versucht wird. Diese pathologischen Handlungen können sich beispielsweise in unbegründet häufigem Waschen, Kontrollieren, Zählen, Kaufen oder zwanghaftem Sammeln äußern.
Zusätzlich zeigen sich bei Patienten mit einer Zwangserkrankung vielfach auch depressive oder ängstliche Symptome, aber auch Abhängigkeitserkrankungen und suizidale Neigungen.
Die Behandlung der Zwangsstörung folgt auf unserer Station einem multimodalen Therapiekonzept, bei dem kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte Ansätze um Elemente der interpersonellen und systemischen Therapie ergänzt werden. Das individuell abgestimmte therapeutische Angebot umfasst neben psychotherapeutischen Einzel- und Gruppengesprächen auch Konflikt- und Selbstmanagementmethoden sowie Übungen zur Achtsamkeit, der Verbesserung des Vollständigkeitsgefühls und der sozialen Kompetenz. Auch ergänzende Therapiemethoden wie Assoziationsspaltung bei Gedankenzwängen, die Methode des Processing nach Greenberg und computergestützte Trainingsverfahren wie „Talk to Him“ oder „Gedankenmühle“ werden eingesetzt. Mit Sporttherapie, Entspannungstraining, Bewegungstherapie, Ergotherapie, Physiotherapie und sozialdienstlicher Unterstützung steht unseren Patienten ein umfangreiches Therapieangebot zur Verfügung.
Im Allgemeinen erfolgt die stationäre Behandlung in drei Phasen:
(1) Exploration mit individueller Problemanalyse
Zu Beginn der stationären Behandlung erfolgt eine umfangreiche Diagnostik, mit Hilfe derer die Problematik des Patienten und der zugehörige Kontext analysiert und in einem individuellen Krankheitsmodell konzeptualisiert werden. Basierend darauf erfolgt die Erarbeitung eines Behandlungskonzepts sowie die Spezifizierung der Therapieziele.
In dieser Phase der stationären Behandlung erfolgt zudem eine störungsspezifische Aufklärung, über die der Patient entweder in psychoedukativen Informationsgruppen oder in therapeutischen Einzelgesprächen Einblicke in das Störungsbild der Zwangserkrankung, deren Ursachen und psychotherapeutische wie medikamentöse Therapiemöglichkeiten erhält.
(2) Auseinandersetzung mit der Zwangssymptomatik
In der zweiten Phase der Therapie wird der Patient Schritt für Schritt mit Situationen konfrontiert, die den Zwang auslösen (Expositionstraining). Zunächst in Begleitung des Therapeuten sucht der Patient gezielt jene Situationen auf, in denen die für ihn charakteristischen unangenehmen Gefühle auftreten. Dabei wird er ermutigt und bestärkt, die spannungsreduzierenden Zwangsrituale nicht auszuführen. Es können neue Bewältigungsstrategien erlernt werden, um die Erfahrung zu ermöglichen, dass Angst und Anspannung über die Zeit auch ohne entsprechend reduzierende Handlungen abnehmen werden. Über verhaltenstherapeutische Übungen wird dem Patienten nach und nach Eigenverantwortung übertragen, so dass er das Expositionstraining zunehmend im Selbstmanagement durchführen kann.
(3) Beendigung der stationären Therapie
In der Abschlussphase der stationären Behandlung erfolgen zunächst Übungen und später Belastungserprobungen im häuslichen Umfeld. Diese dienen der Übertragung der erreichten Therapieziele in die Alltagsstrukturen des Patienten. Dieser baut seine therapeutischen Fortschritte eigenverantwortlich aus und versucht sie mit unserer Unterstützung auch im sozialen, beruflichen und familiären Alltag zu verankern. Zudem werden vorhandene Ressourcen des Patienten gestärkt und ausgebaut. Eine eventuelle ambulante Fortführung der Therapie wird noch während des stationären Aufenthaltes gebahnt.
Hinsichtlich der Nachsorge erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Psychotherapeuten, Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie mit sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Darüber hinaus besteht in Form von regelmäßigen Treffen eine Kooperation mit der Selbsthilfegruppe „Zwangserkrankungen Mittelhessen“.