RPE65 Gentherapie
Umfangreiche Expertise für Patienten mit RPE65 Mangel - Betreuung seit über 20 Jahren
An der Augenklinik in Gießen besteht seit über 10 Jahren ein Hauptforschungsfeld in der Erforschung der Ursachen und in der Beschreibung des Verlaufes der erblichen Netzhautdystrophie aufgrund von biallelischen Mutationen im RPE65 Gen. Die ehemalige Direktorin der Klinik, Prof. em. Birgit Lorenz, sowie der Leiter des Labors für Molekulare Ophthalmologie PD Dr. Preising erforschen diese Erkrankung seit über 20 Jahren und haben einige zentrale Erkenntnisse über die Identifikation und den Verlauf der Erkrankung veröffentlicht.
Ursache der Erkrankung ist ein Funktionsverlust eines zentralen Enzyms des visuellen Zyklus aufgrund von Mutationen in beiden Kopien des Gens RPE65 im Genom. Frau Prof. em. Lorenz war Koautorin einer der ersten Publikationen, die Mutationen im RPE65 Gen und die Ausprägung als schwere frühe Netzhautdegeneration beschrieben haben (1). In Abhängigkeit von der Restfunktion des Enzymes kann die Erkrankung sehr schwer verlaufen und wird dann als Lebersche Kongenitale Amaurose LCA 2 bezeichnet, oder auch milder, dann wird sie als Retinitis pigmentosa RP20 bezeichnet. Diese Bezeichnungen beziehen sich auf frühe Arbeiten, in denen die verschiedenen Formen in Abhängigkeit von ihrer molekulargenetischen Zuordnung benannt worden sind. Verschiedene weitere klinische Diagnosen existieren, die die Heterogenität des klinischen Phänotyps demonstrieren. Prof. em. Lorenz und Dr. Preising haben hier in der Anfangszeit in verschiedenen Arbeiten zur klinischen Beschreibung der Erkrankung wesentlich beigetragen (2,3).
Abwesenheit von Fundusautofluoreszenz: klinisch bedeutendstes Merkmal - Entdeckt von Lorenz et al 2004
Zentrales klinisches Symptom in allen Patienten ist die starke Reduktion oder Abwesenheit der Fundusautofluoreszenz bei zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unauffälligem Augenhintergrundbefund, welche durch den fehlerhaften Metabolismus der Retinoide in Photorezptoren und RPE Zellen bedingt ist. Diese Beobachtung wurde erstmalig von Prof. Lorenz im Jahr 2004 beschrieben (4) und gilt heute als sicheres Zeichen für diese Erkrankung (5). Da die Stäbchenfunktion vollständig von der Funktionalität des Enzyms RPE65 abhängig ist, sind diese Zellen besonders stark von der Erkrankung betroffen und die Patienten sind von früher Kindheit an ausgeprägt nachtblind. Die Zapfen sind unterschiedlich stark betroffen, da sie den Sehzyklus teilweise durch andere Mechanismen kompensieren können.
Der schnelle und schwere Verlauf der Erkrankung macht eine frühzeitige Intervention notwendig, solange die Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE, nicht zu verwechseln mit RPE65!) als Zielzellen noch vorhanden sind und auch die lichtempfindlichen Stäbchen und Zapfen (Photorezeptoren) noch vorhanden sind, um davon zu profitieren. Daher ist eine frühzeitige korrekte Diagnose der Erkrankung extrem wichtig ebenso wie eine eingehende morphologische und funktionelle Beschreibung des aktuellen Zustandes der Netzhaut in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Mutationen im RPE65 Gen. Was heute als „natural history studies“ aktuell für alle Netzhauterkrankungen, die in den nächsten Jahren behandelt werden sollen, neu durchgeführt wird, wurde in der Arbeitsgruppe von Prof. Lorenz schon seit vielen Jahren für die Erkrankung RPE65 Mangel durchgeführt (6-10). Auch an einer aktuellen multinationalen Studie zum Verlauf der Erkrankung ist die Augenklinik in Gießen als einziges deutsches Zentrum maßgeblich beteiligt gewesen (11). Aufgrund des langjährigen Engagements für diese Erkrankung konnte an der Augenklinik in Gießen ein Patientenkollektiv von über 25 Patienten aufgebaut werden. Hierbei konnte auch auf eine langjährige Zusammenarbeit mit der Patientenorganisation ProRetina aufgebaut werden, die auch weiterhin eine enge Verzahnung garantiert.
Hierbei stellte sich heraus, dass neue Wege in der klinischen Beschreibung notwendig sind, um die häufig schon stark eingeschränkte Funktion der lichtempfindlichen Netzhautzellen beschreiben zu können. Auch hier hat die klinische Forschungsgruppe der Augenklinik Gießen in den letzten 10 Jahren bahnbrechende neue Verfahren eingeführt oder validiert (12, 13). Diese können nun in den zukünftigen Therapieverfahren eingesetzt werden.
AAV vermittelte retinale Gentherapie - Gießener Expertise seit über 10 Jahren
Der Gentransfer basierend auf der subretinalen Injektion von adeno-assoziierten Virus (AAV) Vektoren ist heute der Goldstandard in der Behandlungen erblicher Netzhautdystrophien. Prof. Stieger, der Leiter der Arbeitsgruppe experimentelle Ophthalmologie an der Augenklinik, hat vor etwa 15 Jahren an der Entwicklung und Durchführung dieser Art von Gentherapie bei einem Hundemodell für RPE65 Mangel mitgearbeitet (14). Seither wurden die Forschungsaktivitäten an der Augenklinik in diesem Bereich fortgeführt und ausgebaut (15-20).
Die zugrundeliegende Idee der Gentherapie ist das Einführen einer korrekten Kopie des RPE65 Gens (cDNA) in die RPE Zellen im Auge. Durch die Produktion des korrekten Proteins kann dann die Funktion des visuellen Zyklus wiederhergestellt werden und dadurch die Stäbchen und Zapfen ihre normale Funktion wieder erfüllen.
Klinische Studien haben gezeigt, dass zumindest für die Stäbchen in den meisten Fällen eine deutliche Funktionsverbesserung nach Therapie im behandelten Bereich beobachtet werden konnte. Bei den Zapfen erscheint der Behandlungseffekt weniger deutlich. Die insgesamt positiven Ergebnisse führten zur Zulassung der Gentherapie für Patienten mit RPE65 Mangel basierend auf der AAV Vektor Methode in den USA im Dezember 2017 (Luxturna®, Spark Therapeutics). Novartis hat die Methode für Europa lizensiert und eine Zulassung durch die EMA (European Medicines Agency) im November 2018 erhalten.
Da sich die Patienten mit RPE65 Mangel zunehmend mit der Möglichkeit der gentherapeutischen Behandlung, ihren Möglichkeiten aber auch potentiellen Problemen beschäftigen, haben wir in Zusammenarbeit mit der Klinik für Psychosomatik eine Studie zu den Auswirkungen dieser geänderten Möglichkeiten auf die Patienten durchgeführt (21).
Eine Übersicht über die aktuellen Studien und weitere Entwicklungen in der Gentherapie erblicher Netzhauterkrankungen findet sich in einer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für die praktische Augenheilkunde (ZPA) (22).
Durchführung der Behandlung in Gießen möglich
In Gießen stehen alle Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung der Behandlungsmethode zur Verfügung, da durch die langjährige Erfahrung mit der Erkrankung und der Therapie durch die oben genannten Personen eine optimale Betreuung vor und nach Behandlung gewährleistet ist. Darüber hinaus stehen erfahrene Netzhautchirurgen zur Verfügung, die die eigentliche Operation sicher und routiniert durchführen werden. Die technischen Voraussetzungen für die Operation sind mit einem modernen Operationssaal mit intraoperativer OCT Technik sowie speziell geschultem Personal ebenfalls gegeben. Seit dem 01.10.2019 ist die Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Marburg und Giessen GmbH, am Standort Giessen verfügbar. Interessenten wenden sich bitte per E-Mail an Herrn PD Dr. rer. medic. M. Preising.
Ansprechpartner: Prof. MUDr. M. Rehak Ph.D., PD Dr. knm.n. L. Lytvynchuk PhD, PD Dr. rer. medic. M. Preising
Referenzen:
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