Ein Unternehmen der RHÖN-KLINIKUM AG
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Geschichte

Seit 1946 gab es an der Universitäts-Nervenklinik eine Kinderstation mit 30 Betten. 1954 wurde erstmals in der Bundesrepublik Deutschland ein Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet. Der erste Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik war Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. jur.h.c. Hermann Stutte, der zunächst als Extraordinarius und ab 1963 als Ordinarius die Klinik bis 1978 leitete.

Wenngleich die Marburger Klinik die erste war, die einem eigenen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie zugeordnet wurde, so hatte sie doch von ihrer Funktion her verschiedene Vorläufer. Die älteste kinderpsychiatrisch orientierte Krankenhausabteilung Deutschlands war wohl die 1864 von Heinrich Hoffmann, dem Verfasser des "Struwwelpeter", gegründete Kinderstation an der "Städtischen Anstalt für Irre und Epileptische" in Frankfurt. Als erste Spezialabteilung an einer Universitätsklinik kann die 1911 von Lazar an der Wiener Kinderklinik eingerichtete heilpädagogische Abteilung gelten, die Modell war für die Einrichtung einer ganzen Reihe ähnlicher Stationen an deutschen Universitätskliniken für Psychiatrie und Pädiatrie. Die Einrichtung dieser Universitätsabteilungen resultierte sowohl aus einer historischen Besinnung auf das Kind als eigenständiges Wesen mit eigenen Rechten, aber auch eigenen Problemen, als auch aus der Tatsache, dass psychiatrische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern ärztliche Spezialisten erforderten, die gleichermaßen mit den Besonderheiten der kindlichen Entwicklung wie mit den neuropsychiatrischen Grundlagen kindlicher Störungen und Erkrankungen vertraut waren.

Am 21. April 1958 wurde nach dreijähriger Bauzeit vom damaligen Hessischen Minister für Erziehung und Volksbildung Dr. A. Hennig der Neubau der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik der Philipps-Universität Marburg seiner Bestimmung übergeben. Die Gründungsgeschichte der Klinik und die ersten Jahre ihrer aktiven Tätigkeit sind mit dem Wirken folgender Persönlichkeiten eng verbunden: Prof. Dr. Doris Weber, Prof. Dr. Hubert Harbauer, Prof. Dr. Peter Strunk, Prof. Dr. Dres. h.c. Hermann Stutte, Min. Dir. Willy Viehweg und Prof. Dr. Dr. Curt Weinschenk.

Das Jahr 1958 war für die Klinik, aber auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Am 23.11.58 wurde in der Bibliothek unserer Klinik die "Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind", seit 1996 umbenannt in Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., gegründet, eine Eltern- und Selbsthilfeorganisation, die die Lebens- und Förderungsbedingungen geistig behinderter Menschen in den nächsten Jahrzehnten von Grund auf neu gestalten sollte. Die Gründung der Lebenshilfe geht ganz entscheidend auf die Initiative ihres früheren Bundesgeschäftsführers und jetzigen Ehrenvorsitzenden Dr. Tom Mutters und des früheren Klinikdirektors Prof. Stutte zurück, die in der Verbesserung der Versorgung geistig behinderter Menschen ein wichtiges gemeinsames Anliegen sahen. Zur Geschichte der Klinik gehört ferner auch die Mitbegründung des Kerstin-Heimes (heute Ursula-Mutters-Internat), eines Heimes und Internates mit Schule für Kinder mit geistiger Behinderung und von Autismus Betroffene. Mit der Etablierung dieser Einrichtung, die bis heute von der Klinik fachlich betreut wird (in früheren Jahren durch Frau Professor Weber, später durch Herrn Prof. Remschmidt und die Marburger Institutsambulanz), war der erste Schritt zur außerklinischen Betreuung jener Gruppe von Kindern getan, die damals am schlechtesten versorgt war.

Die Nachkriegsgeschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marburg wäre unvollständig, wollte man nicht auch die Gründung des Instituts für ärztlich-pädagogische Jugendhilfe und der Erziehungsberatungsstelle (1950) erwähnen, ersteres ein Universitätsinstitut, letztere eine Einrichtung in der Trägerschaft des Vereins für Erziehungshilfe e.V. Marburg.

1978 erhielt Prof. Dr. Dr. Helmut Remschmidt den Ruf auf den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg, dem er zum 01.09.1980 folgte.

Wichtige Etappen der Weiterentwicklung waren die Gründung des Weiterbildungsseminars für Kinder-, Jugendlichen- und Familientherapie (1981), die Weiterentwicklung der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung der Region im Rahmen des Modellprogramms „Psychiatrie“ der Bundesregierung (1980-1985), der Beginn der engen Kooperation mit der Jugendhilfe- und Rehabilitationseinrichtung „Leppermühle“ (seit 1980), die Errichtung einer Tagesklinik für psychisch kranke und behinderte Kinder und Jugendliche (1984) und der schrittweise Aufbau einer Forschungseinheit mit entsprechenden personellen und apparativen Möglichkeiten als unabdingbare Voraussetzung für eine moderne Forschung. Die konsequente Fortsetzung dieses Weges machte 1995 die Einrichtung einer klinischen Forschergruppe möglich, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wurde und sich mit genetischen Mechanismen der Gewichtsregulation beschäftigte.

1982 übernahm die Klinik die Regel- und Pflichtversorgung für die psychisch kranken Kinder und Jugendlichen des Landkreises Marburg-Biedenkopf. 1984 wurde die Tagesklinik in Marburg nach weniger als einem Jahr Bauzeit in Betrieb genommen. Der Bau wurde durch das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit im Rahmen des Modellprogramms Psychiatrie der Bundesregierung gefördert.

Ein psychopharmakologisches Labor wurde 1989 in der Klinik eingerichtet und ein modernes Drug Monitoring-System etabliert.

1995 wurde der Versorgungsauftrag (Regel- und Pflichtversorgung) auf die psychisch kranken Kinder und Jugendlichen des Landkreises Gießen und des Wetteraukreises ausgeweitet.

Mit der Gründung des Instituts für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin an der Philipps-Universität Marburg e.V. (IVV) wurden die Ausbildungsangebote für psychologische und ärztliche Psychotherapeuten in der Klinik ausgeweitet. Am 8. Dezember 1999 wurde das Institut durch ein öffentliches Symposium mit renommierten Referenten eröffnet.

Auch das ambulante Behandlungsspektrum erfuhr eine wesentliche Erweiterung durch die Gründung einer Institutsambulanz in Marburg (1.4.2001) und einer zusätzlichen Institutsambulanz in Bad Nauheim (1.4.2004).

2002 wurde der Neubau der Schule für Kranke eingeweiht mit zusätzlich geschaffenen vier Schulräumen, Lehrerzimmer und Verwaltungsräumen.

Die ärztlich-pädagogische Jugendhilfe wurde 2006 in die Klinik eingegliedert. Unabhängig von der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestand die Erziehungsberatungsstelle unter neuer Leitung weiter (bis 2022).

Im Jahr 2006 erfolgte die Emeritierung von Prof. Dr. Dr. Helmut Remschmidt, und der langjährige stellvertretende Direktor PD Dr. Matthias Martin übernahm kommissarisch die Leitung der Klinik. Ebenfalls im Jahr 2006 wurde das Universitätsklinikum durch die Rhön-Klinikum AG übernommen.

Frau Prof. Dr. Katja Becker erhielt den Ruf auf den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und folgte diesem am 01.11.2008. Die durch Prof. Remschmidt ins Leben gerufene Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen wurde verstetigt und wird von betroffenen Patienten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in Anspruch genommen.

Da die Anzahl der stationären Behandlungsplätze der Klinik nicht mehr ausreichte, um die psychisch kranken Kinder und Jugendlichen der Landkreise Marburg-Biedenkopf, Gießen und Wetterau adäquat und mit angemessener Wartezeit zu versorgen, wurde 2009 ein Antrag gestellt zur Erweiterung der Anzahl der stationären Betten und zur Errichtung von Tageskliniken im Wetteraukreis und im Kreis Gießen. Das Hessische Sozialministerium bestätigte den Bedarf von acht weiteren vollstationären Betten und genehmigte im Jahr 2010 die Errichtung von je einer Tagesklinik im Landkreis Gießen und im Wetteraukreis.

Die Ambulanz in Marburg wurde 2012 um das zusätzliche Angebot einer Spezialambulanz für Kleinkinder erweitert.

Die zehn Betten umfassende Akutstation (Station B) wurde nach Umbauarbeiten in einer neuen Station im Haupthaus auf 12 Betten erweitert sowie eine neue Jugendlichenstation mit 12 Betten (Station D) eingerichtet. Im Jahr 2014 zog die Akutstation in die sanierte Station um (mit 12 Betten) und im Juli 2014 wurde die Jugendlichenstation (Station D) eröffnet. Seit diesen Maßnahmen verfügt die Klinik über 60 vollstationäre Behandlungsplätze.

In Butzbach wurde im September 2014 eine neue Tagesklinik eröffnet. Im Februar 2018 zog die Institutsambulanz des Wetteraukreises von Bad Nauheim nach Butzbach (Am Schloßplatz 2) um.

Von September 2019 bis November 2022 wurde der Neubau der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie auf dem Gelände am Ortenberg errichtet. In zwei schönen großen Gebäuden sind seit dem Umzug im Dezember 2022 die Institutsambulanz sowie fünf Stationen mit je 12 stationären Behandlungsplätzen (1 Akutstation, 1 Jugendlichenstation, 2 Kinder- und Jugendlichenstationen, 1 Kinderstation) untergebracht.