Urodynamik und Inkontinenz
Inkontinenz- und Senkungserkrankungen
Viele Frauen leiden unter ungewolltem Harnverlust oder einer Senkung des Beckenbodens. Nicht selten fällt es schwer, über diese Probleme zu sprechen, obwohl diese Beschwerden im Alltag sehr belastend sein können. Glücklicherweise gibt es zahlreiche konservative und operative Maßnahmen, die Ihnen helfen können. Vor jeder Therapie ist es wichtig, die genaue Ursache des Harnverlustes oder die spezielle Form der Senkung zu diagnostizieren. Die Diagnostik erfolgt in einer gesonderten urogynäkologischen Sprechstunde.
Vorbereitend hierzu werden die Beschwerden mit Hilfe eines Fragebogens (Deutscher Beckenboden-Fragebogen nach Baessler) katalogisiert. Eine früher routinemäßig durchgeführte invasive Druckmessung in Blase und Harnröhre (urodynamische Untersuchung) ist nach neueren Studienergebnissen für die Erstbehandlung einer Inkontinenz meist nicht erforderlich.
Wir arbeiten in enger Kooperation mit den benachbarten Fachdisziplinen, insbesondere den Urologen und Viszeralchirurgen des Klinikums. Neben konservativen Therapien (Beckenphysiotherapie, Pessar- oder Tamponeinlage) stehen operative Verfahren zur Verfügung. Gerne beraten wir Sie darüber, welches Verfahren für Sie in Betracht kommen kann.
Das spannungsfreie Harnröhrenband (Tension-free Vaginal Tape oder abgekürzt TVT) wird zur Behandlung eines ungewollten Urinverlustes unter körperlicher Belastung (Belastungs- oder Stressinkontinenz) eingesetzt. Hierbei wird ein Kunststoffband über einen kleinen Schnitt in der Scheidenvorderwand locker unter das mittlere Drittel der Harnröhre gelegt und in der Form eines U nach oben zum Schambein geführt. Das Band wird über zwei weitere kleine Hautschnitte am Unterbauch knapp oberhalb des Schambeins (suprapubische Bandausleitung) oder durch die beiden Hüftlöcher des Beckenknochens über je einen kleinen Hautschnitt in der rechten und linken Schenkelleiste (transobturatorische Bandausleitung, TOT) herausgeführt. Das Kunststoffband unterstützt den Verschluss der Harnröhre unter Belastung und verhindert damit den ungewollten Harnverlust. Wegen der besseren Behandlungsresultate bevorzugen wir in der Regel die TVT-Technik.
Die Harnblase kann sich durch eine Bindegewebsschwäche (z.B. nach Geburten oder durch Übergewicht) absenken und in die Scheide oder sogar noch weiter nach außen vorwölben. Dies kann für die Patientin sehr unangenehm sein, ein Fremdkörpergefühl verursachen und die Harnentleerung erschweren. Um die Blase wieder in ihre ursprüngliche Position zu bringen, werden die Harnblase und das erschlaffte Bindegewebe von der Scheide aus über einen Schnitt freigelegt. Anschließend wird die Blase durch Raffung des Bindegewebes unterpolstert und angehoben. In speziellen Situationen kann auch ein Kunststoffnetz eingesetzt werden, um zusätzlichen Halt zu geben.
Fixierung der Gebärmutter oder des Scheidenendes
Ist die Gebärmutter oder die Scheide vorgefallen, können von der Scheide aus der Gebärmutterhals oder der Scheidenstumpf an einer Sehnenstruktur im Becken (sakrospinales Band) angeheftet werden (sakrospinale Fixation nach Amreich/Richter).
Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Gebärmutterhals von der Scheide aus zu verkürzen und eine Anhebung der Gebärmutter durch Raffung der sogenannten Sakrouterinligamente herbeizuführen (Manchester-Operation).
Alternativ kann im Rahmen einer Bauchspiegelung (laparoskopische Operation) der obere Anteil der Gebärmutter entfernt (LASH-Technik) und der Gebärmutterhals vom Bauch aus angehoben und mittels eines Kunststoffnetzes am Kreuzbein angeheftet werden (sogenannte Sakrohysteropexie). Wenn die Gebärmutter bereits entfernt ist, kann dieselbe Technik am Scheidenende angewendet werden (Sakrokolpopexie).
Alle angeführten Verfahren sind sehr schonende, aber effiziente Methoden, die häufig zusammen mit einer Korrektur der Blasen- oder Darmsenkung angewendet werden.
Die früher nahezu obligate vollständige Entfernung der Gebärmutter bei Senkungsoperationen ist verlassen worden, da die Senkungskorrektur durch den Organerhalt keinen Nachteil hat und die Gebärmutter ihrerseits Bestandteil der Beckenbodenarchitektur ist.
Darmsenkung und erschlaffter Scheideneingang
Auch der Darm kann ähnlich wie die Harnblase von einer Senkung betroffen sein und sich nach außen vorwölben. Manchmal ist gleichzeitig zusätzlich der Scheideneingang erschlafft und steht offen, z.B. nach mehreren Geburten. Auch hier wird der Enddarm von der Scheide aus freigelegt und das Gewebe neben dem Darm gerafft. Dadurch wird der Darm in die korrekte Position zurückgedrängt. Sofern erforderlich kann dieser Eingriff prolemlos mit einer Anpassung der Weite des Scheideneingangs kombiniert werden (Kolpoperineoplastik). In seltenen Fällen kann auch hier ein Kunststoffnetz eingesetzt werden, um zusätzlichen Halt zu geben.
In seltenen Fällen kann es nach einer Inkontinenz- oder Senkungsoperation zu einem Wiederauftreten der Beschwerden kommen. Stellen Sie sich gerne bei uns vor. Wir bieten Ihnen einen Überblick über die konservativen und operativen Möglichkeiten, die Ihnen jetzt zur Verfügung stehen.
Urogynäkologische Sprechstunde
Dienstags, 09:00 bis 13:00
PD Dr. med. Gerold Link
Dr. med. Vera Müller